Nach seiner Flucht aus dem Iran kam Farschid Ali Zahedi nach Oldenburg und gründete 1993 den Verein Werkstattfilm e.V. Der Verein bearbeitet durch seine Film- und Medienarbeit gesellschaftlich relevante Themen für Oldenburg. Ein Schwerpunkt ist die Aufarbeitung des Nationalsozialismus. 2018 bekam Farschid für seine Verdienste das Bundesverdienstkreuz verliehen. Wir arbeiten mit Farschid Ali Zahedi seit vielen Jahren zusammen und inzwischen ist er auch Mitglied unseres Vereins. Es entstand u.a. der VfB Film „Zwischen Himmel und Hölle“, eine Ausstellung über die NS Zeit beim VfB und in diesem Jahr hätten wir im Marschwegstadion gemeinsam mit Werkstattfilm das „Gegengerade“ Filmfestival präsentiert. Wir haben Farschid gefragt,wie sich die Corona-Krise auf seine Arbeit ausgewirkt hat und welchen Eindruck er vom VfB Oldenburg und seinen Fans hat.
Lieber Farschid! Schön, dass du dir Zeit genommen hast, ein paar Fragen für uns zu beantworten. Wie geht es dir?
Danke, mir geht es den Umständen entsprechend gut.
Wie wirkt sich die Corona-Krise auf die Arbeit von Werkstattfilm aus?
Die Krise hat erheblichen Einfluss auf unsere Arbeit und Arbeitsweise. Dazu auch auf die zwischenmenschlichen Beziehungen, und sie verursacht einen erheblichen wirtschaftlichen Verlust.
Seit ein paar Jahren arbeiten VfB für Alle und Werkstattfilm eng zusammen. Wie kam es zu der Zusammenarbeit?
Zunächst durch freundschaftlichen und persönlichen Kontakt. Die Idee dazu kam sowohl von Fans als auch von unserer Seite.
Anlässlich des 120jährigen Vereinsjubiläums hast du gemeinsam mit VfB Fans die Dokumentation „Zwischen Himmel“ gedreht. Wie wurde der Film von anderen Fans und der Oldenburger Öffentlichkeit aufgenommen?
Der Film wurde ziemlich gut aufgenommen und bis heute besteht danach eine große Nachfrage. Wir waren mit dem Film gemeinsam mit VfB für Alle an verschiedenen Orten unterwegs u.a. in Hamburg, Göttingen, Leipzig, Kassel sowie beim „Abseits“ Filmfestival in Linz. Gerne wären wir auch für ein Screening nach Lüneburg gefahren. Leider kam dann Corona dazwischen. Aber das holen wir nach sobald es uns möglich ist.
Im Juni hätten wir gemeinsam das „Gegengerade“ Festival im Marschwegstadion veranstaltet. Was hätte uns erwartet und wird das Festival irgendwann nachgeholt?
Ein einmaliges Kulturerlebnis u.a. mit Kinovorstellungen im Marschwegstadion. So etwas hat es dort noch nicht gegeben. Außerdem waren Vorträge, Lesungen, Podiumsdiskussionen, ein Fußballspiel, eine Party und vieles mehr geplant. Hierfür konnten wir zahlreiche Kooperationspartner*innen gewinnen und wir haben vorab viele Kontakte zu Filmemacher*innen und Fans geknüpft. Das Festival ist ein überregionales und internationales Festival und wird 2021 im Zusammenhang mit der Fußball-EM nachgeholt.
Welchen Eindruck hast du vom VfB Oldenburg als auch von der dazugehörigen Fanszene?
Der VfB macht nach meiner Beobachtung keinen besonders guten Eindruck. Das liegt u.a. an der Strukturveränderung im Verein zu einer kommerziellen Struktur. Der VfB und seine Fans sind manchmal verschiedene Welten mit unterschiedlichen Ansprüchen und Verständnissen besonders im Kampf gegen Rassismus, Homophobie etc. Der Vorstand des VfB hat keine authentische Haltung zum Kampf gegen Rassismus und Diskriminierung. Der runde Ball steht ganz im Mittelpunkt. Beim VfB für Alle gibt es den Anspruch auf gesellschaftliche Verantwortung. Diese wurde von vorherigen Verantwortlichen beim VfB auch wertgeschätzt. Mittlerweile sind nur noch Sport und Spiel und die Steigerung des Gewinns das Hauptziel. Antirassismus ist eine Frage der Haltung und des Charakters.
Was hat dich dazu bewegt, VfB für Alle Mitglied zu werden?
Die Gemeinschaft beim VfB für Alle, unterschiedliche Ideen, kluge Köpfe und furchtbar nette Leute.
Wie wird es in den nächsten Wochen und Monaten bei Werkstattfilm weitergehen? Welche Projekte sind neben „Gegengerade“ Festival geplant?
Wie arbeiten an einem Projekt über Rosa Lazarus, einer jüdischen Frau aus Oldenburg, die die Verfolgung durch die Nazis in einem Versteck in Groningen überlebte, und über die wir gemeinsam mit Partnern in den Niederlanden eine Ausstellung und einen Film machen werden. Ein weiteres Projekt beschäftigt sich mit Arbeitsmigrant*innen in der Region Oldenburg, die in den 50er bis 70er Jahren als sogenannte „Gastarbeiter“ nach Deutschland kamen. Derzeit sind wir auch damit beschäftigt, unser Oldenburger Medienarchiv über eine internetbasierte Bilddatenbank der Öffentlichkeit zugänglich zu machen. Darin finden sich auch viele Bilder aus der Geschichte des VfB Oldenburg. Außerdem sind wir noch in einem Strukturveränderungsprozess, in dem wir die Arbeit im Verein neu organisieren.
Vielen lieben Dank für die Beantwortung unserer Fragen und alles Gute!
Fotos: Werkstattfilm e.V.